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Zucht im Wandel


Die Veränderung der Zucht von Nishikigoi

Mit diesem Artikel möchte ich einmal die Veränderungen der Koizucht, des Marketings in den letzten Jahren und die Veränderung in der Art des Geschäftswesens bei vielen Züchtern beschreiben.

Beginnen wir aber zuerst mit der Zucht dieser wundervollen Tiere. Was hat sich denn da in den letzten Jahren so extrem verändert und ist somit eine extra Erwähnung oder sogar einen ganzen Artikel wert?

Viele Züchter weichen von der alten traditionellen Zucht ab, was zur Folge hat, dass alte Blutlinien immer mehr in den Hintergrund gerückt werden oder sogar gänzlich verschwinden. Kalte Überwinterung, extreme Selektion der Jungtiere und die Konzentration auf einige wenige Varietäten auf einer Farm verschwinden immer mehr. Alte Blutlinien, wie zum Beispiel die Tomoin Blutlinie bei den Kohaku, die Sadazo Blutlinie bei den Sanke oder die Takeda Blutlinie bei den Showa werden so gut wie gar nicht mehr in ihrer Form gezüchtet. In der heutigen Zeit geht es bei der Zucht nicht mehr um langsames und kontinuierliches Wachstum inklusive der Verbesserung der Körperform und der Farbgebung. Heute heißt es so schnell wie nur möglich und so groß wie nur möglich. Die Frage stellt sich warum. Sind die Tiere der alten Blutlinien auf einmal nicht mehr gut genug? Entsprechen Sie nicht mehr den heutigen Standards? Sind die Elterntiere verstorben? Ist die Haltung oder Zucht mit zu viel Aufwand verbunden oder sind diese Tiere einfach zu anfällig gegenüber Erkrankungen wie andere Blutlinien?

Nun, die Fragen sind nicht immer so einfach und mit einem Satz zu beantworten. Sicherlich sind diese Fische nicht anfälliger gegenüber Erkrankungen und auch die Hälterung unterscheidet sich in keinster Weise von allen anderen Varietäten und Linien der Nishikigoi Zucht. Auch der Verlust der Elterntiere ist nicht der Hauptgrund für das langsame Aussterben dieser alten Blutlinien. Qualität und Standard ist es auch nicht, denn diese Tiere zeigen phänomenale Farben und Körperformen. Es ist einzig und allein der Kundenwunsch nach immer größeren Tieren, der diese Linien langsam, aber sicher aussterben lässt. Man kann hier also defacto von einer Marktorientierten Zuchtanpassung sprechen. Früher, also bis etwa vor 10 Jahren, waren Tosai mit 25 cm schon riesig und Tiere über 80 cm absolute Jumbos. Heute zählen diese Größenangaben schon fast zu den kleineren Tieren oder Standards in der Zucht.

Durch die Nachfrage der Kundschaft hat sich die Koizucht in den letzten Jahren massiv gewandelt. Der Züchter versucht mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Kundenwünsche zu erfüllen. Dafür geht er einen anderen Weg, weg von der traditionellen Zucht. Beispiele dafür gibt es zu genüge. Eine kalte Überwinterung ist so gut wie abgeschafft. Um das komplette Potenzial des Wachstums auszuschöpfen, werden die Fische das ganze Jahr bei Temperaturen über 18 Grad Celsius gehältert und komplett auf dem Maximum an Möglichem durchgefüttert. Ja kein Abstoppen des Wachstums ist die Devise, egal wie alt das Tier ist, das Streben geht immer mehr auf Größe und Körpervolumen. Je schneller das Tier groß genug ist, desto schneller verdient der Züchter durch den Verkauf.

Um dieses Ziel schnellstmöglich zu erreichen, bleiben natürlich Blutlinien, die nicht schnell genug das gewünschte Ziel erreichen oder durch die erblich bedingte zu geringe Endgröße auf der Strecke. Sie fallen nun einfach durch das Raster der modernen Zucht. Der Züchter versucht natürlich die Qualität dieser Blutlinien zu erhalten und kreuzt Wachstumsgiganten in die Linien ein. Ständig wird versucht den Genpool der Tiere auf immer schnellere Entwicklung, was Körper, Größe und Farbe anbelangt zu trimmen. Die Züchter ändern die Haltungsbedingungen, die Selektion der Jungtiere und die Art der Fütterung, einzig und allein um immer größere und schneller wachsende Tiere zu züchten.

Doch ist das so gut für die Tiere. Kein Wachstumsstopp mehr im Winter, keine Ruhephase mehr, nur noch Sommer, kein Herbst, kein Frühling und kein Winter. Beeinflussen diese Umstände nicht auch den ganzen Organismus Fisch? Hat das alles überhaupt noch etwas mit Natur oder traditioneller Zucht zu tun?

Diese Fragen lassen sich nur schwer beantworten, da dazu keinerlei Studien vorliegen. Einzig Aussagen von Züchtern und Haltern der Tiere können dazu zu Rate gezogen werden und wie immer gibt es dazu sehr viele unterschiedliche Meinungen. Wären die eine Partei das alles für grandios hält, gibt es mittlerweile auch einige kritische Stimmen. Hauptgrund ist hier die Lebenserwartung und das Naturell der Tiere. Fakt ist ganz einfach, dass ein Ausschöpfen des absoluten Maximum unter Umgehung der natürlichen Lebensweise immer auf die Lebenserwartung geht. Immer mehr hört oder liest man von sehr früh verstorbenen Tieren, Tumorbildung, Organschäden oder Rückgratverkrümmungen. Liegt es dabei an der veränderten Zucht oder wird einfach mehr kommuniziert? Auch da scheiden sich die Geister. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.

Ein Züchter hat mir mal gesagt, dass es ganz einfach wäre mit der Altersbestimmung der Nishikigoi. Ohne Winter sollte man das Alter der Tiere einfach mal 2 nehmen. Ob das so stimmt, darüber sollte sich jeder seine eigenen Gedanken machen. Fakt ist einfach, dass es mittlerweile viele Tiere jenseits der 80 cm Marke gibt und auch das Alter dieser großen Tiere wird immer jünger. Nicht selten wird diese Größe schon bei 3- bis 4-jährigen Fischen erreicht. Nach der Faustformel des Züchters wären diese Tiere dann schon 6 bis 8 Jahre alt, was vor Jahren als völlig normal für solch eine Größe angesehen war.

Doch nun genug zum Thema Blutlinien und Endgröße der Fische. Kommen wir zu einer weiteren Veränderung in der Zucht in Japan. Mittlerweile vergeht kaum ein Jahr in dem nicht neun Varietäten auf den Markt kommen. Werden denn tatsächlich so viele neue Linien von den Züchtern entwickelt oder an was liegt denn diese Flut von neuen Namen und Varietäten. Vor allem, wenn man sich namhafte Züchter anschaut, so reibt man sich als langjähriger Fan schon die Augen. Kawarimono bei Sakai oder Dainichi fand man vor 10 Jahren so gut wie gar nicht. Heute trumpfen Sie mit eigenen Linien auf. Sind das denn wirklich neue Linien oder gab es diese Tiere schon vor Jahren und Sie sind einfach schon als Jungtiere durch das Selektionsraster gefallen? Hat der Züchter seine Zucht verändert oder zieht er Tiere groß, die er früher einfach entsorgt hätte? Auch hier muss sich jeder Koiliebhaber seine eigenen Gedanken machen. Fakt ist, dass der Markt das Angebot regelt und solange die Kunden solche Varietäten haben wollen, werden diese auch angeboten.

Früher und hauptsächlich im asiatischen Markt waren die Go Sanke das absolute Muss im Teich und das ist auch heute noch so. Andere Varietäten, besonders Kawarimono wurden im Vergleich zum westlichen Markt nur wenig in den Teichen gehalten und somit auch nicht in größerer Stückzahl gezüchtet. Durch die immer größere Erweiterung des Absatzmarktes, speziell in den Westen, hat sich auch da einiges verändert. Ein Kunde hat es mir mal sehr süffisant erklärt. Wir in Europa haben noch das Urgen der Jäger und Sammler in uns, also muss im Teich auch eine Vielzahl an Varietäten schwimmen. Nur rot, weiß und schwarz wäre einfach zu langweilig. Dem kann ich in diesem Fall nichts zufügen. Also ist es nur logisch, dass auch hier der Züchter sich dem Markt anpasst und seine Vielfalt an Varietäten stetig erhöht, um den Kundenwünschen gerecht zu werden. Eines sei hier absolut erwähnt, es geht dabei nicht darum diese Varietäten schlecht zu reden oder zu verteufeln. Ein Kirin, Black Diamond oder Golden Korn zum Beispiel, ist für mich ein absolutes Highlight in jedem Teich.

Und zum Abschluss dieses Artikels kommen wir zu noch einer Änderung im Wesen der Züchter. Langjährige Koiliebhaber sollen jetzt mal in sich gehen und über folgende Frage nachdenken: “Seit wann gibt es denn Koi Auktionen in Japan für Jedermann?“

Nun, Auktionen für Nishikigoi in Japan haben eine sehr lange Tradition. Doch früher wurden solche Auktionen einzig und allein unter den Züchtern in Japan abgehalten. Fremde Personen, Europäer oder Privatkunden waren nicht zugelassen. Heutzutage bieten große Farmen immer öfters solche Auktionen an und dabei werden nicht nur Tiere der eigenen Farm angeboten. Es sind große Events mit Kunden weltweit. Dazu hat aber nicht nur das geänderte Konsumverhalten beigetragen. Nein, es ist die technische Weiterentwicklung, die solche Events erst möglich machen. Man muss nicht mehr persönlich Vorort sein, um an solchen Auktionen teilzunehmen, man braucht auch nicht immer einen Agenten, oftmals reicht ein Internetanschluss völlig aus. Ja, der Einzug der modernen Technik hat auch vor den alten Traditionen in Japan nicht Halt gemacht. Livebilder, Videos, Videokonferenzen, moderne Webseiten und ein gutes Marketing haben auch in der Koizucht und im weltweiten Vertrieb der Nishikigoi Einzug gehalten. Sieht man dabei den Erfolg solcher Auktionen, so kann man vor der Strategie der Züchter, die solche Auktionen abhalten, nur den Hut ziehen. Kaum ein Jahr geht vorbei, in dem nicht irgendein Rekord für den teuersten Nishikigoi der Welt gebrochen wird. Auch hier haben sich einige Farmen dem Wettbewerb angepasst. Es werden nicht nur die eigenen gezüchteten Tiere verkauft, sondern jeder Züchter, der gewillt ist, kann auf solchen Auktionen, natürlich gegen einen entsprechenden Obolus an die Farm, seine Tiere anbieten. Ein Vorteil, den immer mehr Farmen nutzen. Und noch etwas hat sich in den letzten Jahren geändert. Vor 10 bis 15 Jahren gab es nur eine Handvoll Farmen in Japan plus diverse Agenten, die in der Lage waren Fische zu exportieren oder Japanreisen zu den Farmen zu veranstalten. Heute gibt es nicht nur weit mehr Farmen und japanische Agenten, die das können, auch immer mehr nicht Japaner haben sich das Knowhow angeeignet und bieten Selektionsreisen zu den Farmen in Japan inklusive Export Weltweit an.

Mir persönlich fehlt bei solchen Auktionen, egal ob online oder vor Ort, oder großen Verkaufsevents mit massenhaft Kunden der enge Kontakt zum Züchter und die Ruhe bei der Selektion auf der Farm. Ganz zu schweigen von den großartigen Gesprächen und der Fachsimpelei, aber wie gesagt und geschrieben, erlaubt ist immer, was funktioniert und was der Kunde wünscht.

Mit diesem Artikel habe ich Ihnen nun einige gravierende Änderungen der letzten Jahre in der Zucht und dem Vertrieb von Nishikigoi in Japan aufgezeigt. Ich hoffe Sie damit nicht gelangweilt zu haben und wünsche Ihnen viel Spaß mit dem schönsten Hobby der Welt.

Ihr
mario unterschrift klein